Das Ständehaus, Sitz der LWV-Hauptverwaltung, zeugt von bedeutenden und tragischen Etappen hessischer Geschichte: Von der frühen Demokratiebewegung, der Annexion Kurhessens durch Preußen, der nationalsozialistischen Machtübernahme, den Bombenangriffen auf Kassel und der Phase des Wiederaufbaus. In diesem Jahr wird das Ständehaus in Kassel 175 Jahre alt. Sitzungssaal und Foyer wurden rechtzeitig zum Jubiläum saniert.
KASSEL. Es ist deutschlandweit das älteste Gebäude im Stil der Neorenaissance. Doch mindestens so spannend wie die Architektur ist seine Geschichte: Das Ständehaus wurde gebaut, weil Kassels frühe Demokraten dem Kurfürsten nicht nur eine fortschrittliche Verfassung, sondern auch ein eigenes Haus für die Ständeversammlung abtrotzten. In diesem Jahr wird das Ständehaus 175 Jahre alt, und der LWV wird das im Juni mit einer Jubiläumsveranstaltung sowie einer Ausstellung und im Herbst mit einem Tag der offenen Tür feiern.
„Wir sind stolz, unseren Sitz im ältesten hessischen Parlamentsgebäude zu haben“, sagt Landesdirektor Uwe Brückmann. „Wir führen damit eine parlamentarische Tradition fort.“ Rechtzeitig zum Jubiläum sind der Sitzungssaal und das Foyer saniert worden. Der nach dem Krieg von documenta-Gründer Arnold Bode und seinem Bruder, dem Architekten Paul Bode, neu gestaltete Ständesaal wurde behutsam renoviert, das Foyer wieder stärker in seine historische Ursprungsform zurückgeführt.
Dabei wurde beides an die heutige Nutzung angepasst. In allen Bereichen wurde der Brandschutz optimiert, das Foyer und der Saal sind nun erstmals vom Ständeplatz aus barrierefrei erreichbar, und das Glasdach über der denkmalgeschützten Lichtdecke im Sitzungssaal ist durch ein gut isoliertes ersetzt worden. „Ein gelungenes Zusammenspiel von baulichen Verbesserungen und altem denkmalgeschützten Bestand“, lobte die Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Eva Kühne-Hörmann.
Es waren vermutlich die stolzen italienischen Stadtrepubliken wie Venedig, Florenz und Genua, die den Kasseler Architekten Julius Eugen Ruhl zu seinem Entwurf für das Ständehaus inspirierten. Ruhl orientierte sich an der Formensprache der italienischen Hochrenaissance.
1834 wurde der Grundstein gelegt, zwei Jahre später wurde das Parlamentsgebäude eingeweiht. Allerdings mussten Architekt und Kassels Bürger hinnehmen, dass der Kurfürst ihre hochtrabenden Pläne noch einmal stutzte. Statt an der Wilhelmshöher Allee wurde das Ständehaus in einem neuen Stadtviertel errichtet. Und statt der ursprünglichen breiten Front mit acht Fenstern erhielt das Haus eine deutlich schmalere Fassade mit nur sechs Fenstern. So wirkt es eher wie eine Stadtvilla denn wie ein Parlamentsgebäude. Doch Kassels Innenstadt, die im Krieg fast völlig zerstört worden ist, wird durch das früheste deutsche Neorenaissance-Gebäude aufgewertet.
Nachdem Kurhessen von Preußen eingenommen wurde, tagten die Kommunal- und Provinziallandtage im Ständehaus. Es wurde Sitz des Bezirkskommunalverbandes und 1904 nach Plänen des Landesbauinspektors Alfred Röse und des Münchner Professors Friedrich von Thiersch erweitert. 1933 wurde die Verwaltung des Bezirkskommunalverbandes von den Nationalsozialisten „gleichgeschaltet“.
Die Bombennacht von 1943 hat das Ständehaus nicht ganz unbeschadet überstanden: Vor allem Dach und Sitzungssaal wurden beschädigt. Alte Pläne deuten darauf hin, dass es Überlegungen gab, ihn nach historischem Vorbild wieder aufzubauen. Doch letztlich gaben Arnold und Paul Bode einem modernen Entwurf den Vorzug, und der Saal wurde im Stil der fünfziger Jahre gestaltet. Mit Wandverkleidungen und einer Deckenkonstruktion aus Holzlamellen, einem Handlauf aus Messing und den geschwungenen Profilen der Empore sowie einer klaren sachlichen Form.
Die Pläne für die jüngste Sanierung hat das Architekturbüro Atelier 30 in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege erarbeitet. Rund 3,5 Millionen Euro wird die gesamte Sanierung kosten.
Der LWV möchte das Haus, in dem seine Hauptverwaltung arbeitet und die Verbandsversammlung regelmäßig tagt, künftig noch stärker zur Stadt hin öffnen. Schon jetzt wird es für Konzerte, Veranstaltungen und Ausstellungen genutzt. Erstmals seit der Sanierung nimmt der LWV in diesem Jahr auch wieder an der Museumsnacht teil: Dort wird eine Ausstellung zur Baugeschichte zu sehen sein, und die Öffentlichkeitsarbeit bietet für interessierte Bürgerinnen und Bürger Führungen durch den Ständesaal, die Nebenräume und das Foyer an.
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1834
Grundsteinlegung
1836
Einweihung
Das Ständehaus ist Tagungsort der Ständeversammlung.
1866
Annexion Kurhessens durch Preußen
Das Ständehaus wird Sitz des Bezirkskommunalverbandes und Tagungsort der Kommunal- und Provinziallandtage.
1904
Erweiterung des Ständehauses
1933
Der Kommunallandtag wird aufgelöst und die Verwaltung des Bezirkskommunalverbandes „gleichgeschaltet“.
1943
Bomben zerstören Teile des Ständehauses.
1949
Wiederaufbau des Ständesaals
1953
Das Ständehaus wird Sitz des LWV Hessen und Tagungsort der Verbandsversammlung.
2010
Der Ständesaal wird denkmalgerecht saniert.