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Gute Mitarbeiter - Prämie inklusive

Gute Mitarbeiter - Prämie inklusive

Wer neue Arbeitsplätze für ältere Menschen mit Schwerbehinderung schafft, wird belohnt: mit qualifizierten, engagierten Mitarbeitern – und einer Prämie des Landeswohlfahrtsverbandes. Das Amtsgericht Dieburg und der Frankfurter Beschäftigungsbetrieb zeigen, wie es geht.


DIEBURG/FRANKFURT. Dienstagvormittag im Dieburger Amtsgericht. Im Erdgeschoss des an einem Bachlauf gelegenen Gebäudes spricht kein Richter ein Urteil. Aber acht Mitarbeiter nehmen Stunde um Stunde viele Gerichtsfälle auseinander – Seite für Seite. Sie arbeiten in der Scanstelle, die im September 2012 ihren Betrieb aufnahm.

Auf ihren Schreibtischen landen Gerichtsakten aus ganz Hessen, die platzsparend digitalisiert für die nächsten Jahrzehnte aufbewahrt werden müssen. Sechs Männer und zwei Frauen sind auf Jahre hinaus damit beschäftigt: Sie befreien dicke Akten von Büroklammern, beachten Vorder- und Rückseiten und scannen sie ein. Sie überprüfen sie auf Vollständigkeit, der letzte Akt schließlich ist die Vernichtung des Originals.

Höchste Sorgfalt ist in diesem Arbeitsprozess gefragt. Gisela Nicolay fällt das nicht schwer. Mehr als 20 Jahre ihres Berufslebens hat sie als Buchhalterin bei einem Steuerberater gearbeitet. Heute ist sie froh, dass sie nicht mehr nachts aufschreckt und an Fristen denkt, die sie einhalten muss. „Ich kann endlich wieder durchschlafen“, lacht die 61-Jährige, „hier möchte ich bleiben bis zur Rente.“ Sie hat gute Aussichten, dass sie das schafft.

Gisela Nicolay ist über 50, schwerbehindert und war zuletzt arbeitslos – bis ihre Bewerbung beim Gericht Erfolg hatte. Ihr kommt die Förderung von Arbeitsplätzen für ältere Menschen mit Behinderung zugute, die der Bund, das Land Hessen und der LWV Hessen mit dem Programm Initiative Inklusion vorantreiben:

Jede neue Stelle für über 50-jährige Schwerbehinderte belohnt der Landeswohlfahrtsverband mit einer Inklusionsprämie. Nach Ablauf der Probezeit wird sie dem Arbeitgeber in einer ersten Rate ausgezahlt. Ein zusätzlicher Anreiz, ältere Menschen mit Behinderung einzustellen. Bis 2015, so das Ziel, will man 340 dieser Stellen in Hessen zählen. Schon Ende Juni waren im Integrationsamt 106 Anträge auf die Inklusionsprämie eingegangen.

ALTER ALS HANDICAP

Ein Besuch bei Gisela Nicolay und ihren Kollegen zeigt, wie lohnend es – abgesehen von der Prämie – sein kann, ältere Mitarbeiter zu beschäftigen. Und welche Menschen hinter den im Programm geforderten Attributen „über 50, schwerbehindert, arbeitslos“ hervortreten. Gisela Nicolay und ihre Kollegen sitzen in vertrauter Runde um den großen Besprechungstisch. Ganz unterschiedlich sind die Temperamente. Aber die Biographien ähneln sich: Bevor sie sich im Dieburger Amtsgericht trafen, waren sie arbeitslos. Alle sind qualifizierten Tätigkeiten nachgegangen, bis ihre Arbeitsplätze durch Rationalisierungen oder Insolvenzen wegfielen. Da waren sie schon über 50. Das Alter haben sie als größtes Handicap erlebt.

Albrecht Rill, 56, war jahrelang Betriebsratsvorsitzender und musste die Insolvenz des Unternehmens mit abwickeln: „Danach war ich drei Monate lang arbeitslos. Ich habe viele Bewerbungen geschrieben, habe 30 Prozent Absagen bekom - men, der Rest hat gar nicht geantwortet.“ Ähnlich erging es seinem jetzigen Kollegen Eike Empel, 58. Er hat über 30 Jahre bei einem Telekommunikations-Betrieb gearbeitet. Nachdem er seinen Job verlor, schrieb er weit über hundert Bewerbungen. „Wenn man dann eine Absage an ‚Frau‘ Eike Empel bekommt, dann weiß man doch, dass die sich die Bewerbung gar nicht richtig angeschaut haben“, sagt er. Die Verärgerung darüber teilt er mit allen, die am Tisch sitzen. Eike Empel ist hörbehindert, aber Dank des Hörgeräts fühlt er sich nicht sehr stark beeinträchtigt. Albrecht Rill lebt schon, seit er Anfang 20 ist, mit einer Beinprothese. Für den 61-jährigen Wolfgang Kempf änderte sich das Leben durch eine Krankheit, die ihn eineinhalb Jahre außer Gefecht setzte. Anschließend war es ihm nicht mehr möglich, weiter als Haustechniker zu arbeiten. Ähnliches erlebten Gisela Nicolay und der 60-jährige Günter Scharf. Verschiedene Krankheiten, unter anderem Arthrose, lassen nicht mehr jede Form der Arbeit zu und führen in der Gesamtheit zu einer Gleichstellung mit Schwerbehinderten.

Doch Seele und Geist brauchen eine Aufgabe im Leben. Ganz abgesehen davon, dass jeder Mensch gerne selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommt. Die Mitarbeiter in der Scanstelle sind durch ihre körperlichen Beeinträchtigungen keineswegs gehindert, die gestellten Aufgaben optimal zu bewältigen. Eher sind sie überqualifiziert und fühlen sich im Vergleich zu dem, was sie früher verdienten, zu gering bezahlt. Doch das nehmen alle in Kauf für den festen, unbefristeten Arbeitsplatz. Keiner von ihnen entspricht dem Bild, das der Begriff vom „Über-50-jährigen-Langzeitarbeitslosen-mit-Schwerbehinderung“ suggeriert. „Unsere neuen Mitarbeiter werden gar nicht als schwerbehindert wahrgenommen“, sagt Frank Richter, Direktor des Amtsgerichts.

Richter muss weit ausholen, um die Geschichte zu erzählen, wie es zur Schaffung der Arbeitsplätze im Amtsgericht Dieburg kam. Hintergrund ist, dass die Justizakten bislang zur besseren Aufbewahrung gefilmt wurden. In Hessen gibt es dafür dezentral fünf Verfilmungsstellen, an denen traditionell auch viele Menschen mit Behinderung arbeiten. Seit 2008 wird auf Scannen umgestellt. Im Neubau des Justizzentrums in Darmstadt gab es keine geeigneten Räume. So erfolgte die Anfrage an das nahe gelegene Amtsgericht Dieburg. Dort konnte ein 130 Quadratmeter großer Raum, der bis dato zur Lagerung von Akten gedient hatte, geräumt werden. Platz genug für viele Akten und Mitarbeiter.

SEHR GUTE BEWERBER

Auf der Suche nach Personal kam Reinhold Kramer, Hauptvertrauensperson der schwerbehinderten Menschen bei dem Hessischen Justizministerium, ins Spiel. Er sorgte beratend dafür, dass die neuen Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt wurden.
Entscheidend bei den Überlegungen war, dass man sich gerade ältere, erfahrene und zuverlässige Mitarbeiter für die sehr verantwortungsvolle Tätigkeit wünschte. Um geeignete Bewerber zu finden, formulierte Geschäftsleiter Wolfgang Radomski ein Stellenprofil, das er der Agentur für Arbeit in Dieburg zur Verfügung stellte. „Wir müssen die Mitarbeiter der Arbeitsagentur sehr loben – sie haben sehr gute Bewerber für uns ausgesucht“, sagt er. Schließlich hatte man im Dieburger Amtsgericht nicht viel Erfahrung diesbezüglich. Und da die Stellenbesetzung so gut gelaufen war, schaffte man gleich noch eine neunte Stelle – in der Sicherheitskontrolle an der Pforte.

Die neu geschaffenen Arbeitsplätze werden von der Agentur für Arbeit, dem Land Hessen und dem Integrationsamt des Landeswohlfahrtsverbandes gefördert. So übernimmt die Arbeitsagentur im ersten Jahr 60 Prozent der Kosten, dieser Eingliederungszuschuss reduziert sich in jedem Folgejahr um 10 Prozent bis auf zuletzt 30 Prozent. Die Gesamtförderdauer über den Eingliederungszuschuss für Schwerbehinderte, die älter als 55 Jahre sind, beträgt bis zu acht Jahre. „Das war für uns ein ganz wichtiges Argument“, sagt Richter, „denn so können wir längerfristig planen.“ Das Integrationsamt des LWV bezuschusst 75 Prozent der Sachkosten, die für die Einrichtung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes entstehen. Und dann kam auch noch die neue Inklusionsprämie hinzu. Jetzt will man die Mittel für die längst überfällige Renovierung des Gemeinschaftsraums aller Mitarbeiter aufwenden.

Im nicht weit entfernten Frankfurt freute sich auch Karl H. Wieß über die gute Nachricht von der Inklusionsprämie. Er ist Geschäftsführer der Frankfurter Beschäftigungsbetrieb gGmbH (fbb), eines Integrationsbetriebs, der verschiedene Dienstleistungen anbietet wie allgemeine Büro-, Boten- und Conciergedienste. Wieß beschäftigt gern ältere Menschen, die über einen größeren beruflichen Erfahrungsschatz verfügen und häufig auch ein diskreteres Auftreten haben. „Wir machen zum Beispiel die Poststelle des Staatlichen Schulamtes. Als Dienstleister einer Behörde braucht man einen seriösen Mitarbeiter, da habe ich mit älteren Menschen die besten Erfahrungen gemacht“, erklärt er. Auch für die freie Stelle in der Verwaltung des fbb suchte er gezielt nach einer erfahrenen, vielseitigen Kraft und fand mit Hilfe der Agentur für Arbeit und des Integrationsfachdienstes Petra Altvater. Seit einem guten Jahr erledigt sie ihre Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit ihres Chefs und ist regelrecht gerührt, wenn sie von ihm sagt: „Er traut mir sehr viel zu, und das tut mir gut.“

Die zierliche Frau erledigt Büroarbeiten und springt als Ersatzkraft im Botenbereich oder auch in der Poststelle ein, wenn ein Mitarbeiter krank ist oder Urlaub hat. „Das macht die Arbeit sehr abwechslungsreich“, sagt sie. Es ist für sie nicht selbstverständlich, dass sie wieder eine Anstellung gefunden hat. Sie ist 53, hat eine Schwerbehindertengleichstellung und war lange arbeitslos. Körperliche und seelische Probleme machten ihr die Arbeitssuche schwer, aber sie erhielt Unterstützung vom Integrationsfachdienst in Bad Homburg, der für ihren Wohnort zuständig ist. Sogar einen EDV-Kurs konnte sie absolvieren und schaffte die Abschlussprüfung. Ein Meilenstein für Petra Altvater, die Zeit ihres Lebens unter Prüfungsangst litt. Auch die positiven Erfahrungen in ihrem jetzigen Job tragen dazu bei, dass es ihr heute gut geht, ihr die Schwerbehinderung nicht anzumerken ist. Und Geschäftsführer Karl H. Wieß ist froh über seine sympathische Mitarbeiterin. Für die Inklusionsprämie hat er eine gute Verwendung: „Wir können das Geld sehr gut nutzen zur Sicherung von Arbeitsplätzen in einem neuen Projekt.“

Katja Gußmann



NETZWERKE NUTZEN

Interview mit Dr. Andreas Jürgens, Erster Beigeordneter des LWV Hessen

Das Integrationsamt des LWV ist verantwortlich für das sogenannte Handlungsfeld 3 der Initiative Inklusion, das Arbeitsplätze für Männer und Frauen über 50 initiieren soll. Was bedeutet Arbeit auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft?
Der Arbeitsbereich ist für alle Menschen ein ganz wichtiger Teil ihrer Lebensbereiche, so wie Wohnen oder Freizeit, Bildung oder Mobilität. Je mehr sich das Arbeiten von behinderten Menschen an das von nicht behinderten annähert bzw. beide zusammen arbeiten können, umso mehr entsteht Inklusion. Und darum bemüht sich das Integrationsamt, behinderte Menschen so weit wie möglich zu unterstützen und zu fördern, damit sie auf dem ersten Arbeitsmarkt einen Platz finden. Das ist das Hauptanliegen der Initiative Inklusion.

Was bedeutet Arbeit für die Psyche?
Für die meisten Menschen ist die Arbeit ein ganz wesentlicher Aspekt der gesellschaftlichen Beteiligung. Sie ist Identifikation für die einzelne Person in ihrer Einbindung in die gesellschaftlichen Zusammenhänge, im Grunde ein ganz wichtiger Aspekt der Aneignung sämtlicher gesellschaftlicher Prozesse, in denen man sich befindet, in die man sich einbringen kann. Es ist für die meisten Menschen deutlich mehr als Geldverdienen und Broterwerb, sondern es ist auch Selbstverwirklichung, Selbstfindung und die Wahrnehmung von gesellschaftlichen Rollen.

Was kann der LWV über das Programm Initiative Inklusion hinaus beitragen zur Inklusion?
Kernbereich der Initiative ist die Förderung von Arbeitgebern, die einen schwerbehinderten Menschen beschäftigen. Eine Prämie. Das Integrationsamt ist sehr viel breiter aufgestellt, es berät Arbeitnehmer wie Arbeitgeber über Möglichkeiten der behindertengerechten Ausstattung von Arbeitsplätzen, über die dauerhafte Unterstützung, zum Beispiel durch Arbeitsassistenz, durch Ausgleich von Leistungseinschränkungen, berät und schult auch betriebsintern beispielsweise über Möglichkeiten der Kommunikation mit Gehörlosen oder mit blinden Kollegen und Kolleginnen. Das macht das Integrationsamt in Kooperation mit Integrationsfachdiensten. Eine Aufgabe im Zuge der Initiative Inklusion ist, Netzwerke aufzubauen, mit Arbeitgebern, Integrationsfachdiensten usw. Wir versprechen uns davon, dass wir die Netzwerke später auch nutzen können, wenn es die spezielle Förderung der Initiative Inklusion nicht mehr, aber immer noch die allgemeinen Fördermöglichkeiten des Integrationsamtes gibt.

Helfen Prämien überhaupt?
Die Prämie ist ganz hilfreich, weil viele Arbeitgeber sich davon unmittelbar angesprochen fühlen. Wir haben ja jetzt auch schon 106 Anträge erhalten und die Prämie ist ein guter Weg, um mit den Arbeitgebern in Kontakt zu kommen. Weil Arbeitgeber dabei sind, die sich zuvor möglicherweise noch nicht informiert haben über die Fördermöglichkeiten. Wenn wir erst einmal eine schwerbehinderte Person bei einem Unternehmen in Arbeit gebracht haben – das lehrt die Erfahrung – dann ist es beim zweiten Mal leichter. Diejenigen, die schon mal eine positive Erfahrung gemacht haben im Umgang mit dem Integrationsamt und mit der Beschäftigung von behinderten Menschen, bei denen ist das sehr viel einfacher. Die Prämie ist also gut als Türöffner, aber die Unterstützungsmöglichkeiten danach, wenn das Programm ausgelaufen ist, sind genauso wichtig.

Sie glauben also, es geht weiter, wenn das Programm ausgelaufen ist?
Wir haben natürlich ein elementares Interesse daran, dass auch die anderen Handlungsfelder über die Projektphase hinaus fortgeführt werden, insbesondere die Berufsorientierung für behinderte Jugendliche und die Unterstützung von Ausbildungsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Das ist deswegen sehr wichtig, weil wir dem Automatismus von der Förderschule in die Werkstatt für behinderte Menschen entgegenwirken wollen. Wir wollen ja erreichen, dass auch behinderte Jugendliche, die auf der Förderschule waren, die Möglichkeit haben, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unterzukommen, gegebenenfalls mit entsprechender Unterstützung. Dafür ist das frühe Einsetzen der Berufsorientierung schon in den Schulen ganz wichtig. Da werden wir versuchen müssen, das Know-how der Berufsförderungswerke, die für die Handlungsfelder 1 und 2 zuständig sind, in die Regelphase überzuleiten. Vor allem auch die Zusammenarbeit mit den Schulen. Dieses Know-how sollte nicht wegbrechen nach dem Ende des Programms, was da erarbeitet wird, sollte kontinuierlich fortgesetzt werden. Jeder Werkstattplatz, den wir nicht zu bezahlen brauchen, spart bares Geld und bringt den Menschen mehr an Inklusion, wenn sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unterkommen.

Welche Vorurteile sind es, die behinderten Menschen die Suche nach Arbeit oder Ausbildung erschweren?
Das sind auf Arbeitgeberseite zwei Vorurteile:

  1. Die behinderten Menschen sind nicht so leistungsfähig. Sie bekommen den gleichen Lohn und bringen weniger Leistung.

  2. Wenn es Probleme gibt, kann ich dem behinderten Mitarbeiter nicht kündigen.

Beides ist falsch.

Es gibt sehr viele behinderte Menschen, die in ihrer beruflichen Leistung gleich sind wie Nichtbehinderte oder sogar besser. Wir beobachten, dass schwerbehinderte Mitarbeiter oft zur Stammbelegschaft gehören und auch über konjunkturelle Schwankungen hinweg im Betrieb bleiben.

Und: Die Kündigung eines schwerbehinderten Beschäftigten ist zwar an die Zustimmung des Integrationsamtes gebunden, aber wenn es berechtigte Gründe für eine Kündigung gibt, dann wird diese Zustimmung auch erteilt.

Außerdem dient das Zustimmungsverfahren auch der Klärung von Alternativen. In sehr vielen Fällen kommt es zu einer einvernehmlichen Lösung: Entweder wird das Arbeitsverhältnis aufgehoben oder ein neuer Einsatzort wird gefunden.

Das Interview führte Elke Bockhorst.



HINTERGRUND

INITIATIVE INKLUSION

Mit Hilfe des Bund-Länderprogramms „Initiative Inklusion“ sollen neue Ausbildungs- und Beschäftigungsplätze für schwerbehinderte Menschen entstehen. Den Anstoß für dieses bis 2018 befristete Programm gab die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. Rund 100 Millionen Euro aus dem Ausgleichsfonds stehen bundesweit zur Verfügung, der Fonds speist sich aus der von den Integrationsämtern der Länder erhobenen Ausgleichsabgabe.


DAS PROGRAMM HAT VIER SCHWERPUNKTE, DIE IN HESSEN WIE FOLGT UMGESETZT WERDEN:


1. Berufsorientierung für schwerbehinderte Schülerinnen und Schüler

Schwerbehinderte Schülerinnen und Schüler mit Anspruch auf sonderpädagogische Förderung erhalten mehr Chancen, sich intensiv beruflich zu orientieren. Sie sollen durch eine Potentialanalyse und Berufsorientierung ihre berufsbezogenen Interessen, Wünsche und Eignungen erfahren, erkennen und ausprobieren. Berufliche Praktika werden dabei eine wichtige Rolle spielen. Mittelfristig soll so ein breites Angebot an Berufsorientierungsmaßnahmen aufgebaut werden. Die Berufsbildungswerke Nord- und Südhessen arbeiten dabei eng mit den Schulen zusammen.


2. Neue Ausbildungsplätze für schwerbehinderte junge Menschen

In Hessen sollen über 100 neue betriebliche Ausbildungsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geschaffen werden. Fördermittel von bis zu 10.000 Euro pro Ausbildungsplatz können – zusätzlich zu den bisherigen gesetzlichen Fördermöglichkeiten – gewährt werden. Die Berufsbildungswerke Nord- und Südhessen unterstützen Jugendliche und Arbeitgeber bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz bzw. nach einem Bewerber/einer Bewerberin.


3. Arbeitsplätze für über 50-jährige schwerbehinderte Menschen

Bis zum 31.12.2015 sollen über 300 neue Arbeitsplätze für ältere arbeitslose oder arbeitsuchende schwerbehinderte Männer und Frauen geschaffen werden. Neben den bestehenden Leistungen der Arbeitsförderung, etwa durch spezielle Eingliederungszuschüsse, können solche Arbeitsplätze Dank einer zusätzlichen Förderung in Hessen mit einer Prämie von bis zu 13.000 Euro gefördert werden.


4. Förderung der Inklusionskompetenz bei den Kammern

Industrie-, Handels-, Handwerks- und Landwirtschaftskammern sind wichtige Partner bei der Umsetzung des Programms. Jede Kammer, die ein Konzept vorlegt, das die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben in ihren Mitgliedsorganisationen verbessert, kann bis zu 100.000 Euro auf die Dauer von zwei Jahren erhalten.

ebo