Innovative Vermarktungsstrategien und nachhaltige Waldbewirtschaftung zeichnen die Stiftungsforsten Kloster Haina aus. Der Regiebetrieb des LWV ist seit vielen Jahren erfolgreich.
HAINA. Es ist ein kalter Tag mit Nebel in der Früh, als Gäste und Forstmitarbeiter sich am Holzhackschnitzel- Lagerplatz treffen. Unter zwei riesig anmutenden, rund 10 Meter hohen Dachkonstruktionen, die auf über hundertjährigen Douglasien-Stämmen ruhen, lagern die Hackschnitzelberge der Holz-Energie-Haina (HEH), dem Energiedienstleistungsbetrieb der Stiftungsforsten Kloster Haina.
Bis zu 10.000 Kubikmeter oder Schüttraummeter, wie es im Fachjargon heißt, finden hier Platz. Insgesamt 30.000 Kubikmeter Holz werden jedes Jahr zerkleinert und in den Heizanlagen von Vitos-Einrichtungen sowie eines regionalen Energiedienstleisters verfeuert. Damit sparen die Vitos-Einrichtungen in Haina, Bad Emstal und Marburg sowie die Energie Waldeck- Frankenberg Gmbh zusammen rund 2,56 Millionen Liter Heizöl jährlich. „Außerdem werden so rund 6,9 Millionen Kilo Kohlendioxid jedes Jahr eingespart. Das heißt, es gibt einen wirtschaftlichen und ökologischen Nutzen“, erläutert Manfred Albus, Leiter der Stiftungsforsten Kloster Haina.
Beeindruckende Zahlen, die er den neun Mandatsträgern nennt. Mitglieder aus drei verschiedenen LWV-Gremien sind nach Haina gekommen, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Was sie sehen, ist ein moderner Wirtschaftsbetrieb. Und ein Betrieb, in dem Nachhaltigkeit, Umwelt- und Naturschutz sehr groß geschrieben werden. Manfred Albus ist Wirtschaftsund Naturwissenschaftler in einer Person. Er denkt in langen Zeiträumen: „Unser Betriebsziel ist ein Dauerwald, in dem in 80 bis 100 Jahren Bäume an den jeweiligen Standorten in allen Altersstufen und Größen nebeneinander stehen.“
Mit langen Zeiträumen kennen sie sich aus in Haina: Der Forstbetrieb ist 480 Jahre alt, anfangs gab es ein Hospital- Oberforstamt mit drei Oberförstereien. Als Landgraf Philipp der Großmütige die Klöster in Merxhausen und Haina in sogenannte Hohe Hospitäler umwandelte, bestimmte er die Forsten und landwirtschaftlichen Güter als Garanten für deren finanzielle Absicherung – „auf ewige Zeiten“. So steht es in der Urkunde von 1533. Gut vier Jahrhunderte später, 1953, wurde der LWV mit seiner Gründung zuständig für die Heilanstalten und ist seitdem Treuhänder der Stiftung. Heute sind die Stiftungsforsten Kloster Haina ein Regiebetrieb des LWV. Die Gewinne fließen in den LWV-Haushalt und kommen so – wie vor rund 480 Jahren festgeschrieben – sozialen Aufgaben zugute. Auch deshalb nennt Albus seinen Betrieb „nachhaltig“.
Albus führt die Gäste beim Rundgang zunächst zu einer „Waldinsel“: Nahe einer kleinen dreieckigen Lichtung am Waldkulturerbe-Weg pflanzen die Förster jeweils den „Baum des Jahres“. 2011, im Internatioalen Jahr der Wälder, war das die Elsbeere. „Wir fühlen uns verpflichtet, auch solche Beiträge für die Region zu leisten“, sagt Albus. „Dazu gehören Naherholungs- genauso wie Bildungsangebote“. Auf der Lichtung erklären die Revierleiter Schülern und Kindergartenkindern häufig den heimischen Wald, sensibilisieren sie für den Naturschutz. Aber auch Wanderer mögen diesen Ort. Die kommen oft wegen des Tischbeinwanderwegs nach Haina oder wegen des Stamford´schen Gartens, einer der Natur nachempfundenen, künstlerisch gestalteten Park- und Gartenanlage. Sie gilt als eines der ältesten Beispiele englischer Gartenarchitektur in Deutschland.
Hauptaufgabe ist allerdings die Pflege und Bewirtschaftung des Waldes. „Wir setzen auf langsame Umbauprozesse, so wie die Natur es auch machen würde“, erklärt Albus. „Bis zu den 70-er Jahren wurde kurzfristiger und sehr ergebnisorientiert gearbeitet , man setzte insbesondere auf Nadelholz. Das ist heute ganz anders. Wir schauen zunächst, was würde auf dem jeweiligen Standort wachsen, wenn der Mensch nicht eingreifen würde. Wir nennen das die potenziell natürliche Vegetation. Da kann es Jahrzehnte dauern, bis der Bestand so entwickelt ist, wie Forstleiter ihn sich wünschen.“
Wenn die Förster wissen, wie die potentiell natürliche Vegetation aussieht, können sie den Prozess beschleunigen: Bäume, die nicht in die Vegetation passen oder andere behindern, werden abgeholzt. „Stehen drei Eichen eng beieinander und können auf Dauer nicht so weiterwachsen, nehmen wir einen oder zwei weg, damit der Beste gefördert wird“, erläutert Albus. „Auch die, die aufgrund ihres Alters oder wegen Krankheiten bald absterben würden, nehmen wir vorher raus.“ Wo keine Jungpfanzen nachkommen, werden Bäume gepfanzt, die dort natürlich vorkommen. So entsteht auf Dauer ein gemischter Wald mit unterschiedlichen Baumarten und verschiedenen Alters. Durch die unterschiedliche Höhe der Bäume ist der Wald stabiler und Wetterextreme können ihm weniger anhaben. „Durch diese Art der nachhaltigen Bewirtschaftung kommen wir unserem Ziel des Dauerwaldes sehr viel näher.“
Daneben beachten die Förster Schutzzonen oder Sonderbiotope. An feuchten Bachzügen etwa, so genannten Quellrinnen, oder in den Waldquellen selbst dürfen keine Fahrzeuge fahren, auch wenn manche Arbeiten dadurch aufwändiger sind. Andere Areale, wo umgestürzte Bäume liegen, werden sich selbst überlassen. Diese Flächen sind wichtige Rückzugsgebiete für Pflanzen und Tiere. Daneben gibt es eine Reihe seltener Vogelarten im Hainaer Forst: Drei von rund 50 hessischen Brutpaaren des Schwarzstorchs brüten dort. Daneben Uhus und Wanderfalken. Wo, das halten Albus und seine Mitarbeiter streng geheim. Sie schirmen diese Bereiche ab. Und sie kümmern sich um Fledermäuse. Mithilfe von Fördermitteln des Landes Hessen haben sie einen ehemaligen Eiskeller geöffnet und einen alten Eisenerzstollen freigelegt und abgestützt. „Diese Höhle ist eine der bedeutendsten Fledermausqartiere der Region geworden“, sagt Manfred Albus. Der „Naturwissenschaftler“ Albus erforscht auf einer Windwurf- Fläche, die von Kyrill 2007 schwer geschädigt wurde, die Schattenresistenz der Weißtanne. Sie könnte eine Nachfolgerin von Fichte und Douglasie sein, eine heimische standortangepasste Baumart, die dem Klimawandel mit prognostizierten trockenen Sommern und nassen Wintern eher standhielte. Kleine grüne Wuchshüllen sind ein Teil des Versuchsaufbaus, sie schützen die jungen, wenigen Zentimeter hohen Bäume zudem vor hungrigen Hasen. Wildgatter, von Patienten der Vitos Klinik gebaut, bewahren Kulturen hier und an anderen Stellen vor Wildverbiss.
Ein Beleg der Nachhaltigkeit ist auch die PEFC-Zertifizierung, die die Stiftungsforsten im Mai 2013 zum zweiten Mal erfolgreich durchlaufen haben. PEFC-Siegel finden sich auf Schreibblöcken, Briefumschlägen oder Taschentüchern. Bei den PEFC-Audits vor Ort wird eine nachhaltige Waldbewirtschaftung „unter Gewährleistung ökologischer, sozialer und ökonomischer Standards“ überprüft. Das Audit dauerte zwei Tage. So ziemlich alle Arbeitsbereiche des Forstes werden kontrolliert, von der Verwaltung über die Sicherheitsvorkehrungen bei Forstarbeiten oder die Schädlingsbekämpfung bis zur standortgerechten Pflanzung.
Neben PEFC gibt es ein zweites weltweit anerkanntes Zertifizierungssystem, das FSC. Der LWV prüft gegenwärtig, ob die Stiftungsforsten auch ein solches Audit durchlaufen sollten. Die Konsequenzen wären deutlich spürbar: Bei der FSC-Zertifizierung werden Flächen dauerhaft aus der forstlichen Nutzung genommen. Sie sollen vorhandene Ökosysteme repräsentieren. Ob eine solche Zertifizierung mit den Stiftungszielen vereinbar ist, soll ein externes Rechtsgutachten klären.
Der Waldrundgang endet dort, wo er begonnen hat: am Hackschnitzelplatz. Mittlerweile hat die Sonne sich gegen den Nebel durchsetzen können. Die Idee, Energie aus dem nachwachsenden Rohstoff zu verkaufen, so erläutert Manfred Albus, sei Anfang der 90-er Jahre aus der damaligen Holzabsatznot geboren. Jetzt ist die HEH ein wichtiges Standbein und ein Beitrag zum Umweltschutz.
„Ich habe Dinge erfahren, die ich nicht wusste“, sagt der VABeigeordnete Heiko Budde. „Etwa, dass es doch relativ viel gibt, das nicht angerührt wird, Biotope wie die Quellrinnen oder Totholzbäume für Spechte. Das war schon eine interessante Sache.“
Rose-Marie von Krauss/ebo