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Windeln statt Wirtschaftlichkeitsprüfungen

Windeln statt Wirtschaftlichkeitsprüfungen

Der Haushalt sei Sisyphusarbeit, sagt Andreas Henke, der für ein Jahr in Elternzeit gegangen ist. Das Lachen und die ersten Schritte seiner Kinder machen diese Mühe wieder wett. Zum zweiten Mal hat der 43-Jährige, der in der Revision beim LWV arbeitet, Windeln gegen Wirtschaftlichkeitsprüfungen getauscht.


RHÜNDA. „Guten Morgen. Kommen Sie doch bitte rein“, begrüßt uns Andreas Henke an der Haustür. Mit einem strahlenden Lächeln empfängt uns sein Sohn Theo wenige Meter weiter. Der einjährige Knirps sitzt im Wohnzimmer auf einem Teppich inmitten von Spielzeug. Neugierig und offen beäugt er den Besuch, der auf der modernen Eckbank am großen Esstisch Platz nimmt. Theo und Andreas Henke sind morgens allein zuhause: Andreas Henke hat für ein Jahr seinem Arbeitsplatz in der Revision beim LWV Hessen den Rücken gekehrt und Elternzeit genommen.

Während Vater Andreas Kaffee macht, krabbelt Theo schon auf die Eckbank zu. Er zieht sich am Tisch hoch. Bald schon beschäftigt er sich mit den verschiedenen Objektiven des Fotografen. Entspannt begleiten ihn die Blicke seines Vaters, während dieser über Beweggründe und Erfahrungen seiner Elternzeit berichtet. „Ich will die Kinder aufwachsen sehen“, sagt er. Als Theo einen Becher umstößt und sich Kaffee über Tisch und Boden ergießt, bleibt er ruhig. Zügig und besonnen behebt Andreas Henke den Schaden. Er ist ein erfahrener Vater, das wird schnell deutlich, und routiniert in Kinder- und Haushaltsdingen. Dass ihn so schnell nichts aus der Fassung bringen kann, mag auch daran liegen, dass er bereits seine Eltern gepflegt hat („Elternzeit, nur für 70 Jahre älter“) und jetzt bereits in seiner zweiten Elternzeit ist. Als seine Tochter Luise vor vier Jahren geboren wurde, blieb seine Frau Verena die ersten vier Monate zuhause. Dann übernahm Andreas Henke für 25 Monate, bis Luise in den Kindergarten kam. Lange Diskussionen habe es da nicht gegeben. „Meine Frau fand das gleich gut und es stand bereits weit vor der Geburt der Kinder fest, dass ich mehr als zwei Monate Elternzeit nehme“. Keine Angst vorm Karriereknick? Davor fürchten sich laut einer neuen Forsa-Umfrage 41 Prozent der angestellten Väter. Sie vermuten, dass Elternzeit „sich sehr oder eher negativ“ auf die Karriere auswirken könnte. Deshalb stieg der Studie zufolge zwar die Zahl der Väter mit Kindern bis sechs Jahren, die Elternzeit nehmen; bei der Studie 38 Prozent der Befragten. Allerdings nehmen 80 Prozent von ihnen nur zwei Monate. Länger als sechs Monate bleiben nur elf Prozent bei ihrem Sprössling zuhause. Da sind die langen Elternzeiten von Andreas Henke schon ungewöhnlich.

Angst vor beruflichen Nachteilen hatte er nie. Nein, zudem habe er beruflich alles erreicht, was er habe erreichen wollen. Und: „Der öffentliche Dienst bietet uns Vätern diese Möglichkeit. Wenn wir nicht Vorreiter sind, findet das nie Akzeptanz in der Gesellschaft“, sagt Henke. Von seinen Kollegen in der Revision gibt es positive Resonanz, obwohl sie einiges an Arbeit auffangen müssen. „Gerade von den Kolleginnen kam Rückhalt, als ich von der Elternzeit berichtete“, ergänzt Henke.

Waschen, Kochen, Putzen

Die Situation seiner Frau war – zumindest beim ersten Kind – ganz anders. Sie hatte eine Führungsposition in einem international tätigen Unternehmen, die wollte sie nicht gefährden. Da passte es gut, dass ihr Mann damals in der Drittmittel-Verwaltung an der Fachhochschule Südwestfalen in Iserlohn schon im öffentlichen Dienst war und gern die Elternzeit übernahm. Damals wohnten sie noch am Edersee. Bei Theos Geburt, als sie nach Rhünda umgezogen waren und ihr Mann einen neuen Job als Prüfer für Beschaffung in der Revision hatte, war Verena Henke in der neuen Funktion so etabliert, dass sie ein Jahr zu Hause bleiben konnte.

Andreas Henke berichtet nicht nur kompetent über den Arbeitsplatz seiner Frau, er erzählt auch spannend aus der ersten Elternzeit, als er in der Krabbelgruppe der einzige Mann war und die Frauen ganz ehrlich erstaunt waren, „dass das klappt“. Und er berichtet von einer privaten Geburtstagsfeier, bei dem ein Mann sich von ihm abwendet, als er mitbekommt, dass Andreas Henke Hausmann auf Zeit ist. Oder von jenen Männern, die sich neugierig nach gerade diesem Leben erkundigen und dann schnell von einer eigenen Elternzeit Abstand nehmen, weil dazu nicht nur Kinderbetreuung und Krabbelgruppe gehört, sondern auch Waschen, Kochen, Putzen. „Dann wollen sie das eher nicht mehr“, sagt er schmunzelnd. Während er so redet, wird Theo unruhig. Zeit für ein Vormittagsschläfchen. Vater und Sohn laufen ins Kinderzimmer. Ruck-zuck gibt es eine frische Windel für Theo und dann ab ins Bett; kein Gemecker, alles ruhig.

Die Zeit nutzt Andreas Henke, um das Mittagessen vorzubereiten. Pilzpfanne mit Nudeln wird es auf Wunsch seiner Tochter geben. Gekonnt putzt, schneidet und brät Andreas Henke die Zutaten und setzt Wasser für die Nudeln auf. Währenddessen erzählt er weiter von Wertevermittlung, Struktur und anderen Dingen in der Kindererziehung. Weil er großes Lob für seine Haushaltsroutine und die ordentliche Umgebung erntet, fügt er an: „Oh, wir können auch anders. Kinder rasten aus, Eltern meckern und hier liegen überall Sachen rum. Sooo aufgeräumt ist es hier gerade, weil wir zwei Geburtstagsfeiern hatten.“

Auf den Punkt ist Andreas Henke mit den Mittagsvorbereitungen fertig und geht wenige Meter zur Haltestelle, wo gerade der Kindergartenbus vorfährt. Die vierjährige Luise springt ihrem Vater direkt aus dem Bus in die Arme. Auf dem Heimweg berichtet sie vom Sporttag, der heute im Kindergarten war. „Wir sind weit zum Sportplatz gewandert und haben Fußball gespielt und dann sind wir wieder zurückgelaufen“. Zu Hause zeigt das aufgeweckte blonde Mädchen stolz ihre Bilder, die am Küchenschrank kleben, und ihr Zimmer – ganz in Pink und Rosa. Sie redet viel, wie kleine Mädchen es oft tun. Nur auf die Fragen bezüglich ihres Vaters und dass er zuhause ist, ist sie relativ einsilbig, weil sie das Besondere daran nicht sieht. Da, so berichtet Andreas Henke, hätte es auch ein lustiges Erlebnis gegeben. So hätte Luise mal anderen Kindern erzählt, was er gekocht habe. Die Reaktion: “Wie, Dein Papa kocht? Schmeckt das denn auch?“ Das Essen, das Vater Henke gerade auf den Tisch stellt, riecht köstlich. Ich bedauere, dass ich aus Termingründen die Einladung zum Essen in der netten Runde ablehnen muss.

Rose-Marie von Krauss


HINTERGRUND

ELTERNZEIT

Elternzeit und Elterngeld sind im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) vom Januar 2007 geregelt. Danach hat jede Mutter oder jeder Vater in einem Arbeitsverhaltnis Anspruch auf Elternzeit. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - auch in Teilzeit - in der Privatwirtschaft haben den gleichen Anspruch wie Beschaftigte im öffentlichen Dienst sowie Mütter und Väter in der beruflichen Ausbildung. Auch befristet Beschäftigte haben während ihrer Beschäftigung Anspruch auf Elternzeit.

Der Anspruch besteht bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes.

Jeder Elternteil kann seine dreijährige Elternzeit in zwei Zeitabschnitte aufteilen. Mit Zustimmung des Arbeitgebers ist eine Aufteilung in weitere Abschnitte möglich, so kann ein Jahr Elternzeit beispielsweise auf die Zeit zwischen dem dritten und achten Geburtstag des Kindes, etwa während des ersten Schuljahres, übertragen werden.

Der LWV Hessen unterstützt Mitarbeiter, die in die Elternzeit gehen. Der Verband verfügt seit 2007 über das Zertifikat berufundfamilie®. Es bescheinigt dem LWV, eine familienbewusste Personalpolitik zu verfolgen. Anlässlich der ersten Zertifikatsübergabe sagte LWV-Landesdirektor Uwe Brückmann, Unternehmensziele und Mitarbeiterinteressen stünden nicht im Gegensatz: .Mit einer familienbewussten Personalpolitik binden wir qualifizierte Beschäftigte enger an unser Haus, konnen Fluktuation, Fehlzeiten und Überbrückungszeiten verringern.

rvk

Weitere Informationen in der Broschüre "Ein Kind kommt an", www.lwv-hessen.de/lwv-politik/presse/publikationen/aktuelle-uebersicht/lwv-allgemein.html, oder zu bestellen unter info@lwv-hessen.de und frauenbeauftragte@lwv-hessen.de