K+S beschäftigt im Werk Werra deutlich mehr schwerbehinderte Männer und Frauen als gesetzlich vorgeschrieben. Wir haben Frank Petzold und einige seiner Kollegen am Arbeitsplatz besucht.
PHILIPPSTHAL. Frank Petzold ist ein ruhiger Mann. Sicher und zielstrebig nimmt er das große Eisenrohr auf die Gabel seines elektrischen Gabelstaplers und fährt ihn durch das geöffnete Rolltor zur Werkbank. Dort richtet er alles ein. Anschließend senkt sich die Säge mit einem leicht kreischenden Geräusch auf das Metall. Petzold beobachtet aufmerksam, wie sie sich durch das Rohr arbeitet. „Seitdem wir den Gabelstapler und die Säge für unsere Arbeit bekommen haben“, sagt der 43-jährige Schlosser, „ist die Belastung auf Rücken und Arme erheblich geringer geworden.“
2012 schaffte sein Arbeitgeber K+S mit Unterstützung des Integrationsamtes den Gabelstapler für die fünf Männer von der Instandhaltungshaltungswerkstatt an. Sie sind für die Wartung und Instandsetzung der Energieanlage im Werk Werra am Standort Hattorf in Philippsthal zuständig. Müssen austauschen, reparieren, anpassen. Vier von ihnen sind schwerbehindert. Um ihnen die Arbeit zu erleichtern, war vor ein paar Jahren die kleine Außenstelle oberhalb der Hauptwerkstatt gebaut worden. Hier sind sie näher dran an dem Kraftwerk. Die kurze Wegstrecke - eine weitere Arbeitserleichterung für die Männer.
Petzold hat im Werk Werra am Standort Hattorf in Philippsthal seine Ausbildung gemacht. Vor 27 Jahren kam er als junger Mann ins Werk Werra. Er nimmt das abgesägte Rohrstück von der Säge, setzt die Schutzbrille auf und geht zum Bandschleifer, wo er das Rohr entgratet. Später wird er es montieren.
Im Werk Werra arbeiten mehr als 470 schwerbehinderte oder den Schwerbehinderten gleichgestellte Beschäftigte. Über und unter Tage. 4.400 Beschäftigte sind es insgesamt. Die gesetzlich vorgegebene Quote von fünf Prozent wird damit weit überschritten.
Deshalb wurde das Werk 2013 mit dem Landespreis für die beispielhafte Beschäftigung und Integration von schwerbehinderten Menschen ausgezeichnet.
Wenn Beschäftigte den Anforderungen ihres Arbeitsplatzes – aufgrund einer Erkrankung oder eines Unfalls – nicht mehr Stand halten können, dann findet sich in dem großen Werk glücklicherweise oft eine Alternative. Dank Wilfried Kleinhans, dem Leiter des betrieblichen Gesundheits- und Eingliederungsmanagements. Seinem Engagement und Fachwissen verdankt mancher Kumpel seinen neuen Arbeitsplatz oder eine so genannte leidensgerechte Gestaltung seines bestehenden Arbeitsplatzes.
Zum Beispiel Rüdiger Westermann. Er war vor ein paar Jahren bei Glatteis vor seinem Haus ausgerutscht und hingeschlagen. Der Sturz war so heftig, dass er sich ein Schädel-Hirn-Trauma zuzog. Er brauchte mehrere Monate, um wieder auf die Beine zu kommen. Nach Wochen im Krankenhaus, in der neurologischen Rehaklinik und zu Hause wollte er gern wieder im Bergbau arbeiten. Am Zentralen Abfallplatz (ZAP) in der Grube Hattorf-Wintershall fand sich schließlich eine passende Stelle.
Vier Männer arbeiten dort. Denn der Abfall, der unter Tage anfällt, muss gemäß des aktuellen Kreislaufwirtschaftsgesetzes getrennt werden. Am ZAP wird er gesammelt, verpresst, geschreddert und anschließend nach oben transportiert. Dort wird er recycelt oder entsorgt – ein großer Beitrag zum Umweltschutz. „Die Stellen für den ZAP wurden so gestaltet, dass sie auch von Mitarbeitern mit Behinderung ausgefüllt werden können“, berichtet Wilfried Kleinhans. Mit drei ergonomisch ausgestatteten Fahrzeugen, einem Schredder für Holz und Papier und drei Papierpressen. Das LWV Hessen Integrationsamt förderte diese Investition mit 108.000 Euro, die Berufsgenossenschaft gab ebenfalls einen Zuschuss. Weitere Vorteile: regelmäßige Arbeitszeiten und flexible Abläufe. Die vier Mitarbeiter sind glücklich, weiter unter Tage arbeiten zu können.
In 2013 zahlte das Integrationsamt rund 48.000 Euro für die Ausgestaltung weiterer leidensgerechter Arbeitsplätze im Werk Werra, Anfang dieses Jahres bezuschusste es den Umbau der Pförtnerei am Standort Hattorf mit über 20.000 Euro. Holger Gebhardt und Wolfgang Bosse haben nun höhenverstellbare Tische. Auch ihr Kollege, der Rollstuhlfahrer ist, kann jetzt alles mühelos erreichen.
Bosse arbeitete früher unter Tage. Doch Probleme im Knie machen ihm so sehr zu schaffen, dass er die körperliche Arbeit aufgeben musste. „Sie hat mir besser gefallen“, sagt er lächelnd. Aber auch für den 60-Jährigen ist es ein Gewinn, dass er seine Anstellung nicht verloren hat. Außerdem: Der Job an der Pforte ist nicht ohne, wie sein Kollege mit einem gewissen Stolz anfügt. „Jeden Tag haben wir einen gewaltigen LKW-Andrang von Zulieferern – teilweise im Minutentakt; gleichzeitig klingelt das Telefon oder wir müssen Besucher ankündigen“, sagt Gebhardt. Eine hohe Belastungsfähigkeit wird hier also allemal vorausgesetzt. Um den Anforderungen gewachsen zu sein, müssen die Mitarbeiter deshalb einen Eignungstest durchlaufen, bevor sie den Dienst an der Pforte antreten können. Über Langeweile können sie sich nicht beschweren. Und eine wichtige Rolle im täglichen Betrieb des Kaliproduzenten an der Werra spielen sie weiterhin.
Elke Bockhorst
HINTERGRUND
Arbeitgeber, die im Jahresdurchschnitt 20 Beschäftigte oder mehr haben, müssen fünf Prozent schwerbehinderte Menschen beschäftigen. Wird diese Vorgabe nicht erfüllt, ist das Unternehmen verpflichtet, die Ausgleichsabgabe bis zum 31. März für das abgelaufene Kalenderjahr zu zahlen. Die Zahlung der Ausgleichsabgabe entbindet die Unternehmen nicht von der Pflicht, künftig schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Arbeitgeber, die Aufträge an anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen vergeben, können 50 Prozent des auf die Arbeitsleistung entfallenden Rechnungsbetrages auf die Ausgleichsabgabe anrechnen.
Mit Zuschüssen und Darlehen hilft das Integrationsamt behinderten Arbeitnehmern/innen sowie ihren Arbeitgebern bei
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