Sie sind ein eingespieltes Team: Renate Lodej, Elke Batz und Wolfgang Bockemühl arbeiten in der Verbandshauptkasse des LWV. Mit speziellen Schulungen und neuer Technik haben die hörgeschädigten Kollegen den Sprung in die Digitalisierung ihres Arbeitsumfeldes geschafft.
KASSEL. Meike Knabe bringt heute eine gute Nachricht: „Sie müssen künftig nicht mehr jeden einzelnen Einsatz der Gebärdensprachdolmetscher beantragen“, sagt sie lächelnd. „Ich bereite jetzt immer Anfang des Jahres einen Bescheid vor, in dem steht, welche Maßnahmen gefördert werden, und Sie melden mir Datum und Dauer der jeweiligen Termine.“ Elke Batz und Renata Lodej nicken zustimmend.
Beide sind gehörlos und arbeiten seit Jahren in der Verbandshauptkasse des LWV. Den Dienst der Gebärdensprachdolmetscherin benötigen sie regelmäßig, auch heute ist Antje Schwabeland dabei. Sie oder ihre Kollegen kommen zu Mitarbeiterversammlungen, Besprechungen und immer dann, wenn sich Arbeitsabläufe verändern. Fast jeden Tag gibt es solche Termine im Auftrag des LWV, nicht nur in der Verbandshauptkasse. Dort ist der Bedarf in den zurückliegenden Monaten allerdings besonders groß gewesen: Seit der Einführung von SAP hat sich fast alles verändert.
Wo Elke Batz und Renata Lodej früher Kassenanordnungen gesammelt und archiviert haben, bleiben Ordner und Regale heute leer. Jetzt müssen die Mitarbeiterinnen scannen. Alle „rechnungsbegründenden Belege“ werden seit Januar digital erfasst und der ebenfalls digitalen Kassenanordnung zugewiesen. Damit alles jederzeit nachvollziehbar ist. Viele Schulungen waren nötig, auch da waren Dolmetscherinnen dabei.
Meike Knabe lässt sich heute die Arbeit an den Scannern zeigen. Die Mitarbeiterin des Integrationsamtes hat dafür gesorgt, dass deren Anschaffung gefördert wurde. „In diesem Fall sind die Geräte Voraussetzung dafür, dass die Arbeitsplätze von Frau Batz und Frau Lodej erhalten geblieben ist. Deshalb konnten wir die Anschaffung der Scanner finanziell unterstützen“, erläutert Meike Knabe.
Elke Batz nimmt ein Blatt, legt es ein und startet. Langsam schnurrend zieht der Scanner den Bogen ein. Die 50-Jährige ist seit 25 Jahren in der Verbandshauptkasse. Gelernt hat sie in Frankfurt bei der Bank. Eine kaufmännische Ausbildung hatte ihr der Vater vermittelt, der selbst dort arbeitete. Nach der Kinderpause suchte sie eine Chance zum Wiedereinstieg. Da kam das Angebot vom LWV und die Familie zog nach Kassel.
Sich einzugewöhnen war nicht leicht. Sie war die einzige Gehörlose im Team. „Verständigt haben wir uns auf dem Papier oder mit Bildern“, erklärt sie mit Gesten. Die Einarbeitung ging Schritt für Schritt und dauerte lange. Als sie dann alle Abläufe kannte, wurde es leichter. Und 2002 bekam sie endlich Gesellschaft: Renata Lodej kam in die Abteilung, 2008 kam Wolfgang Bockemühl hinzu.
Nun sind sie ein echtes Team und ergänzen sich hervorragend: Bockemühl übersetzt häufig, weil er sowohl Gebärden- als auch Lautsprache beherrscht. Er hat noch zehn Prozent Hörvermögen auf einem Ohr. Ein Hörgerät unterstützt. Weil ihm das Schreiben leichter fällt, hat er immer die Ordner beschriftet. Und Elke Batz hat ihn und Renata Lodej hervorragend eingearbeitet: „Bei Renata, die zuerst kam, verlief dieser Prozess viel schneller als bei mir damals, weil ich ihr alles erklären konnte!“, schildert sie lebhaft mit den Händen.
Als die erste Informationsveranstaltung zur Neuorganisation der Abläufe und zur Einführung von SAP stattfand, waren sie geschockt. „Was ist jetzt los?“, fragten sie sich sorgenvoll. Doch der Leiter der Verbandshauptkasse, Carsten Weber, konnte ihre Sorge um den Arbeitsplatz schnell zerstreuen. „Für uns war sofort klar, dass diese drei engagierten Mitarbeiter bleiben und als Team weiter bestehen mussten. Das habe ich von Anfang an in der Arbeitsgruppe zur Optimierung der Finanzprozesse vertreten. Und so haben wir danach geschaut, welche der künftigen Tätigkeiten in Frage kommen würden.“ „Das ist vorbildlich gelaufen“, betont Meike Knabe.
Nun sehen ihre Arbeitsabläufe ganz anders aus. Vorher hatte jeder ein Spezialgebiet. Elke Batz war beispielsweise für den Bereich Sozialhilfe zuständig, Wolfgang Bockemühl für Vitos und die Schulen. „Nun macht jeder alles. Wir bekommen die Belege für die Kassenanordnungen und teilen sie untereinander auf“, erklärt er.
Alle drei sind erleichtert, dass das geklappt hat. Bockemühl, als Installateur ausgebildet und später wegen Gleichgewichtsstörungen zum CAD-Zeichner umgeschult, hat schon einmal vier Jahre händeringend Arbeit gesucht. „Zig Bewerbungen habe ich geschrieben. Ich musste doch meine Familie ernähren!“ Zwei Kinder haben der 44-Jährige und seine Frau, die ebenfalls schwerhörig ist.
Auch aus einem anderem Grund sind er und seine Kolleginnen glücklich über ihre jetzige Tätigkeit: „Es ist leichter, wenn man sich austauschen kann“, sagt Renata Lodej, die ihre Arbeit verloren hatte, als „ihr“ Zahntechnikbetrieb Insolvenz anmelden musste. Elke Batz pflichtet ihr bei. „Ich habe mich anfangs ganz schön isoliert gefühlt und Frau Hesse-Brand, die LWV-Fachfrau für Hörbehinderte, immer gefragt, ob nicht eine gehörlose Kollegin oder ein Kollege eingestellt werden könnte. Als es klappte, habe ich mich sehr gefreut.“
Nur eine Sache fehlt ihnen noch zu ihrem Glück: „Unser Traum wäre, wenn wir auch über den Computer in Gebärdensprache kommunizieren könnten wie andere per Mail oder Telefon“, sagt Elke Batz, von Antje Schwabeland übersetzt. „Das wäre super. Darauf warten wir noch“, sagt Renata Lodej und lacht. Meike Knabe hat versprochen, sich zu erkundigen, ob das möglich ist.
Elke Bockhorst