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Drei auf einem guten Weg

Drei auf einem guten Weg

Arbeitgeber, die Stellen für schwerbehinderte Männer und Frauen schaffen, werden belohnt: Das Hessische Perspektivprogramm HePAS sieht Prämien unter anderem für Praktika, Ausbildungsplätze und die Übernahme von Beschäftigten aus einer Werkstatt für behinderte Menschen vor. 20 Mal hat das LWV Integrationsamt solche Prämien bereits bewilligt. Sie gehen unter anderem an den Wiesbadener Verein iba (individuelles betriebliches arbeiten e. V.), der 2015 drei neue Mitarbeiter eingestellt hat.

WIESBADEN. Alexander Elsenbach zieht Blicke auf sich. Wenn er mit dem Reisigbesen die Straße in Wiesbaden entlang geht, dann wollen seine Füße nicht immer so, wie er will. Dann drehen sie sich seitwärts, wo sie nach vorne gehen sollen. Seine Beine schlenkern unwillkürlich. Es ist eine Tetraspastik, die die Bewegungen des jungen Mannes mehr steuert als sein Wille. Er arbeitet im UmweltTeam des iba e. V., dessen Vereinszweck es ist, als Arbeitgeber behinderten Menschen mit einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz eine berufliche Perspektive zu geben.

Elsenbach hat dieses Ziel für sich erreicht. Eine körperliche Arbeit trotz Körperbehinderung füllt ihn aus. Er fegt die Bürgersteige und pickt mit dem Greifarm Unrat auf. Sicherlich, es geht alles etwas langsamer, aber er ist gründlich, zuverlässig und pünktlich. Das zählt bei iba mehr als Schulabschlüsse und Unversehrtheit des Körpers. So, wie Elsenbach von klein auf gelernt hat, immer wieder selbst aufzustehen, wenn er hinfiel, so beharrlich hat der in Russland geborene 34-Jährige daran gearbeitet, dauerhaft auch finanziell auf eigenen Füßen zu stehen.

Ende 1999 kam er mit seiner Familie nach Deutschland. „Meine Eltern haben mich immer gefordert“, sagt er.
Er ist nicht leicht zu verstehen. Die Spastik und die Tatsache, dass Deutsch nicht seine Muttersprache ist, erfordern sehr genaues Zuhören. Was er denn in seiner Freizeit macht? Er strahlt, wenn er erzählt, dass er am Wochenende im Garten gegrillt habe – gemeinsam mit Kollegen von iba. Als Elsenbach später im Büro von Gerald Schwartz, Geschäftsführer von iba, davon erzählt, freut sich auch der Chef: „Es ist doch toll, wenn unsere Mitarbeiter auch privat Kontakt haben.“

NEUER ARBEITSVERTRAG

Elsenbach ist einer von drei Beschäftigten, die jüngst ihren Arbeitsvertrag unterschreiben durften und somit den Übergang von der Arbeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen auf den ersten Arbeitsmarkt geschafft haben. Schwartz betont: „Wichtig ist für uns aber auch der laufende Zuschuss über die Ausgleichszahlung des Integrationsamtes, den wir für die sogenannte Minderleistung der schwerbehinderten Mitarbeiter und dem daraus resultierenden Mehraufwand erhalten. Das wird häufig als Subvention missverstanden. Dabei ist es tatsächlich nur ein finanzieller Ausgleich gegenüber der Leistungsfähigkeit eines nicht behinderten Mitarbeiters.“ Maria Stillger, Regionalmanagerin beim Integrationsamt Wiesbaden bestätigt: „Wir schätzen iba als Partner sehr. Zumal es der Verein nun seit 15 Jahren schafft, auf dem schwierigen Markt der Gebäudereinigung und Grünpflege zu bestehen – und das mit einer Schwerbehindertenquote von 70 Prozent bei rund 70 Mitarbeitern. Das ist einmalig in Hessen.“

FÜNF DIENSTLEISTUNGSBEREICHE

Die Struktur des Unternehmens gliedert sich in fünf Bereiche: Die Mitarbeiter von „PutzBlitz“ reinigen Büros und Treppenhäuser, bei „FrischerEssen“ wird Schulverpflegung zubereitet. Das „Umwelt-Team“ reinigt öffentliche Straßen und Plätze, Mitarbeiter von „BlattWerk“ erledigen Gärtnerdienstleistungen und „AllTechnik“ erledigt Arbeiten der Haustechnik, wartet und prüft Elektrogeräte. Geleitet wird jeder Bereich von einer ausgebildeten Fachkraft, die ihr Know-how an die Mitarbeiter weitergibt. Die jeweiligen Teams haben vor Ort Objektleiter, die auf die korrekte Ausführung der Arbeiten achten. Detlef Krüger leitet die Gruppe im UmweltTeam an, in dem auch Elsenbach arbeitet.

Er hat häufig Mitarbeiter in seinem Team, die direkt aus der Werkstatt für behinderte Menschen kommen. „Nicht jeder ist so motiviert und selbstständig wie Herr Elsenbach“, sagt Krüger. „Manche wissen nicht einmal, wie man einen Besen hält.“ Auch wenn die neue Arbeit eine bessere Lebenssituation verspricht – sie erfordert viel Disziplin und Engagement.

DISZIPLIN UND ENGAGEMENT

Davon kann auch Serkan Yildirim berichten. Er ist im Innenstadtteam im Einsatz, leert gemeinsam mit einem Kollegen die städtischen Mülltonnen in den Fußgängerzonen. Er grinst, wenn er an die Anfangszeit bei iba denkt, in der er sein Praktikum und die Beschäftigungszeit absolvierte. Diese Phase, die bis zu zwei Jahre dauern kann, durchläuft jeder neue Mitarbeiter. In dieser Zeit zeigt sich, wo die individuellen Fähigkeiten für eine spätere Festanstellung liegen. Mit der Pünktlichkeit nahm Yildirim es da noch nicht so genau. Aber er hat dazu gelernt. „In der Werkstatt, in der ich früher beschäftigt war, haben wir manchmal drei Tage lang nichts zu tun gehabt, weil es keinen Auftrag gab. Das war sehr langweilig“, berichtet er, der aufgrund einer Lernschwäche Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben hat. Ein Job auf einer Hühnerfarm fiel ihm deswegen schwer, weil er dafür jeden Tag 40 Kilometer mit dem Bus für eine Strecke fahren musste, um Eier einzusammeln. Da gefällt ihm die jetzige Aufgabe sehr viel besser: „Halb Wiesbaden kennt mich schon“, sagt er fröhlich, „und wenn wir draußen arbeiten, geht die Zeit schnell rum.“ Nur mit der Transporthilfe für die Mülltonnen, die extra angefertigt und vom LWV mit rund 7.500 Euro bezuschusst wurde, mag er sich noch nicht recht anfreunden. „Da arbeiten wir noch dran“, sagt Gerald Schwartz mit zuversichtlichem Lächeln – er kennt seine Pappenheimer ganz genau. Die akkubetriebene Zughilfe dient der körperlichen Entlastung der jungen Männer – nur leider nicht ihrer Eitelkeit.

30 STUNDEN PRO WOCHE

Eine Arbeitswoche zählt sowohl für Yildirim als auch Elsenbach 30 Stunden. Auch Kollege Darius Smolka bewältigt sein gefordertes Pensum in dieser Zeit. Er ist der Dritte im Bunde der neuen Mitarbeiter. Mit 44 Jahren liegt schon eine lange Wegstrecke mit Höhen und Tiefen hinter ihm. Jetzt spürt er seit Langem erstmals wieder ein positives Lebensgefühl. Das ist eng geknüpft an seinen Arbeitsplatz und das Bewusstsein, endlich wieder in der Gesellschaft angekommen zu sein. Noch lebt er in einer Wohneinrichtung, ist aber schon auf Wohnungssuche. Denn sein Arbeitsvertrag mit iba und der regelmäßige Verdienst eröffnen ihm nun auch die Möglichkeit, wieder selbstständig zu leben. Smolka reinigt unter anderem Treppenhäuser von Mietshäusern der Nassauischen Heimstätte. Mit dem Wischmopp muss er sehr gründlich arbeiten, denn die Bewohner sind äußerst kritisch. Aber so dynamisch und positiv wie Smolka daherkommt, gibt’s für ihn eher mal ein Trinkgeld statt Ärger. „Vorher war ich in einer Reha-Werkstatt in der Montage- und Verpackungsgruppe. Als ich die Chance hier bekommen habe, wollte ich sie auf jeden Fall wahrnehmen und mein Bestes geben“, sagt er. Geschäftsführer Schwartz weiß, dass, so glücklich alle drei im Moment auch sind, wieder dunklere Tage kommen können: „Unsere Aufgabe hier reicht über die eines normalen Arbeitgebers weit hinaus. Wenn es bei einem Mitarbeiter nicht so rund läuft, braucht es unsere Unterstützung.“ Zugleich wollen die Wünsche der Kunden weiterhin zur Zufriedenheit erfüllt werden. Denn die Dienstleistungen von iba müssen auf dem Markt bestehen. „Wir sind froh, dass wir mit der Stadt Wiesbaden einen Kunden als Hauptauftraggeber haben, der sich ganz bewusst für uns entscheidet. Aber unser Anspruch ist es, als ganz normaler Dienstleister wahrgenommen zu werden.“

Katja Gußmann


HINTERGRUND

UNTERSTÜTZUNG DURCH DAS INTEGRATIONSAMT

Ziel des Hessischen Perspektivprogramms zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen schwerbehinderter Menschen (kurz HePAS) ist, dass arbeitssuchende oder arbeitslose schwerbehinderte Menschen dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse finden. Das Programm, das vom LWV Hessen und dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) aufgelegt wurde, sieht Einstellungsprämien für die Besetzung eines Arbeitsplatzes mit einem schwerbehinderten Menschen vor (bis zu 9.000 Euro). Für die Einstellung von Mitarbeitern, die zuvor in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt waren, wird die Prämie um bis zu 5.000 Euro erhöht. Weiter sieht das Programm Prämien für die Besetzung eines Ausbildungsplatzes mit einem schwerbehinderten jungen Menschen vor (bis zu 8.000 Euro), Praktika können mit einer einmaligen Prämie in Höhe von 1.000 Euro und sozialversicherungspflichtige Probebeschäftigungen bis zu sechs Monate lang mit 1.000 Euro monatlich gefördert werden.

Der Verein iba hat seit 2014 elf Mal Prämien erhalten.

Daneben können Arbeitgeber weitere Leistungen vom Integrationsamt erhalten. In den vergangenen fünf Jahren hat iba rund 118.000 Euro jährlich bekommen, es handelt sich überwiegend um Leistungen zur Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen nach der Schwerbehindertenausgleichsabgabeverordnung. Für die beispielhafte Beschäftigung schwerbehinderter Menschen wurde iba vom HMSI mit dem Landespreis 2014 ausgezeichnet.

gus