Der LWV hat es sich seit längerem zur Aufgabe gemacht, einen Schatz in den eigenen Reihen zu heben - qualifizierte und motivierte Mitarbeiter, die bereit sind Führungsverantwortung zu übernehmen und die damit verbundenen Aufgaben mit Initiative und guten Ideen anzugehen. Um diese Nachwuchsführungskräfte bestmöglich auf ihre neuen Aufgaben vorzubereiten, bietet der LWV den Lehrgang "Führen jetzt! Qualifizierung für Führungsaufgaben" an.
KASSEL. Wenn man Gitta Graßnickel zum ersten Mal in ihrem Büro besucht, dann holt sie einen gerne am Haupteingang des LWV-Gebäudekomplexes in der Kölnischen Straße ab. "Es ist etwas schwer zu finden", erklärt sie und läuft energiegeladen voraus. Der Weg führt über einen Hof, in einen Fahrstuhl und dann einen kurzen Flur entlang bis zu einem großen und hellen Büro mit einem schönen Blick über die Kasseler Innenstadt. Anfang 2017 hat Gitta Graßnickel das Büro bezogen und ihre neue Stelle als Leiterin der Rechenstelle im Fachbereich Finanzen des LWV angetreten. "Und mittlerweile bin ich hier auch angekommen", sagt sie und lacht. "Das ist meine Aufgabe. Die habe ich angenommen und damit fühle ich mich sehr wohl."
Selbst etwas bewegen zu können, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten und den Umgang miteinander gestalten zu können, das war der 48-Jährigen schon immer wichtig. Als sie vor drei Jahren von dem ersten Durchgang des LWV-Lehrgangs "Führen jetzt! Qualifizierung für Führungsaufgaben" erfuhr, war ihr Entschluss darum schnell gefasst. "Ich dachte mir: Hop oder Top, jetzt bewirbst du dich. Ich wollte gerne in diese Richtung gehen und Führungsverantwortung übernehmen", beschreibt sie ihre Motivation.
13 WERDEN AUSGEWÄHLT
Als eine von rund 70 Bewerbern wurde Gitta Graßnickel zu einer Potentialanalyse eingeladen. Dort musste sie bei mehreren Aufgaben ihre Eignung für den Lehrgang unter Beweis stellen. "Am besten bleibt man sich dabei selbst treu. Auch wenn das in so einer Ausnahmesituation nicht leicht ist", rät sie. 13 Bewerber wurden schließlich ausgewählt und starteten Ende 2015 ihre Weiterbildung.
Es folgte für die lebhafte Diplom-Verwaltungswirtin ein sehr spannendes aber auch anstrengendes Jahr. "Ich hatte einen super Paten beim LWV, mit dem ich mich über die einzelnen Lernmodule austauschen konnte, und der mir auch viele Tipps gegeben hat", erzählt sie. Zudem hat sie wertvolle neue Kontakte geknüpft, und es sind Bindungen zu anderen Teilnehmern entstanden, "mit denen ich den Weg gemeinsam weitergehe".
Ihr Weg stellte sie im Anschluss an den Lehrgang sehr schnell vor eine neue Herausforderung. "Eigentlich wollte ich erst einmal Luft holen. Aber dann lief gerade die Stellenausschreibung, und ich hatte noch drei Tage Zeit, um mich zu bewerben", erinnert sie sich. Es folgten viele Gespräche und Überlegungen, eine schlaflose Nacht und dann der Entschluss, eine Bewerbung einzureichen. "Dafür hatte ich die Fortbildung ja schließlich gemacht."
Und so wagte Gitta Graßnickel den Schritt - von der Sachbearbeiterin im Fachbereich 204 für Menschen mit körperlichen und Sinnesbehinderungen zur Leiterin der Rechenstelle. "Ich hatte viel Respekt vor diesem Neuanfang. Aber ich bin sehr froh, dass ich es gemacht habe. Man muss den nötigen Mut haben sich zu verändern, auch nach vielen Jahren noch", ist sie überzeugt.
Gitta Graßnickel ist froh, dass der LWV, für den sie seit über 30 Jahren arbeitet, ihr diese beruflichen Veränderungen immer ermöglicht hat. So nahm sie als junge Mutter Teilzeitmodelle und die Möglichkeit, im Home-Office zu arbeiten, in Anspruch, um immer am Ball bleiben zu können. Als ihre Tochter dann älter wurde, wechselte sie von der Blindengeldstelle zur Eingliederungshilfe. "Ich wollte mich beruflich einfach weiterentwickeln", sagt sie. Konstant geblieben ist über all die Jahre ihr Interesse an der Arbeit mit Menschen. "Der Umgang mit Menschen in den verschiedenen Facetten, mit und ohne Behinderung, stand für mich schon immer im Fokus. Das ist mir wichtig."
In ihrer Leitungsposition trägt Gitta Graßnickel die Verantwortung für 30 Mitarbeiter, verteilt auf die Standorte Kassel, Darmstadt und Wiesbaden. Eine Verantwortung, in die sie erst hineinwachsen musste. "Es braucht einige Zeit, bis man angekommen ist. Man muss sich erst einmal orientieren, rausfinden, wie sich die neue Aufgabe anfühlt und Sicherheit gewinnen. Dann kann man beginnen, eigene Ideen umzusetzen und den eigenen Weg zu finden. Mein Chef war besonders in der Anfangszeit, aber auch heute noch, immer für mich ansprechbar und hat mich unterstützt. Das war und ist für mich eine große Hilfe. Es ist wichtig, sich mit anderen auszutauschen und auch mal Rat zu suchen", sagt sie.
Ihre Führungsaufgaben unterscheiden sich laut Graßnickel gravierend von ihrer vorhergehenden Tätigkeit als Sachbearbeiterin. "Ich bin bei vielen Gesprächsrunden dabei, setze mich für die Belange meines Teams ein, kläre Rahmenbedingungen und kümmere mich um die Personalführung. Ein wertschätzender Umgang mit den Mitarbeitern ist für mich das A und O. Da muss man aber natürlich auch an sich selbst arbeiten", betont sie lächelnd.
So wie Gitta Graßnickel sich selbst Rat und Orientierung sucht, versteht sie es auch als eigene Aufgabe, anderen Orientierung zu geben. Seien es neue Besucher, denen sie hilfreich den Weg zu ihrem Büro zeigt, seien es ihre Mitarbeiter, die sie auf ihrem beruflichen Weg begleitet. "Individuelle Förderung, Weiterentwicklung und Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind wichtige Themen, die man als Führungskraft in den Fokus stellen muss", sagt sie. Damit jeder entdecken kann, was alles in ihm steckt und seinen Platz findet.
Meike Schilling
"WIR HABEN DAS NÖTIGE KNOW-HOW"
Interview mit Kathrin Kappes-Kühnemuth, Funktionsbereichsleiterin Personalentwicklung beim LWV
Frau Kappes-Kühnemuth, warum bietet der LWV einen internen Lehrgang für Führungsnachwuchskräfte an?
Wir stehen wie andere Organisationen auch vor der Herausforderung, künftig genügend Fach- und Führungskräfte zu finden und an den LWV zu binden. Wir haben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Potential für eine Führungsposition haben. Dieses Potential wollen wir fördern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern neue Chancen eröffnen. Da wir das nötige Know-how in der Organisation haben, können wir die Fortbildung intern anbieten und künftige Führungskräfte passgenau für die Aufgaben im LWV schulen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können so gemeinsam wachsen und Neues auf den Weg bringen.
An wen richtet sich das Angebot?
Die Bewerberinnen und Bewerber müssen gewisse Kriterien erfüllen. Dazu gehört zum Beispiel, dass sie ein Studium absolviert haben oder eine gleichwertige Ausbildung, seit mindestens zwei Jahren beim LWV beschäftigt sind, Fortbildungen besucht haben und eine Empfehlung ihrer Führungskraft vorlegen können. Im Rahmen einer Potentialanalyse werden dann unter allen Bewerbern 13 Teilnehmer für den Lehrgang ausgewählt.
Was erwartet die Teilnehmer des Lehrgangs?
Der Lehrgang läuft über ein Jahr. Innerhalb dieses Zeitraumes müssen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer acht jeweils zweitägige Module zu verschiedenen Themen absolvieren. Sie bekommen eine erfahrene Führungskraft als Paten zur Seite gestellt, mit der sie sich im Anschluss an jedes Modul über das Thema austauschen und beraten. Am Ende des Lehrgangs bereitet jeder Teilnehmer eine Abschlusspräsentation vor. Eine Prüfung gibt es aber nicht.
Ist schon ein neuer Lehrgang geplant?
Derzeit läuft gerade der zweite Durchgang. Danach wollen wir die bisherigen Erfahrungen erst einmal auswerten. Der nächste Lehrgang wird dann voraussichtlich 2020 starten.
Das Interview führte Meike Schilling