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"Ich wollte unbedingt wieder Arbeit haben"

"Ich wollte unbedingt wieder Arbeit haben"

Damit behinderte Menschen eine Chance haben, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, gibt es viele Möglichkeiten der Förderung. Sowohl für den Mitarbeiter als auch den Arbeitgeber. Wie unterschiedliche Behörden dabei Hand in Hand arbeiten, das zeigt das Beispiel von Christian Schmitz. Dessen Festeinstellung bei der Ulrich GmbH Bauunternehmung in Fulda wurde vom LWV Hessen Integrationsamt und der Arbeitsagentur unterstützt.

FULDA. "Hier kommt die Rücklieferung von der Baustelle rein. Dort hinten ist die Schlosserei und daneben die Lackierhalle". Christian Schmitz steht mitten auf dem Bauhof der Ulrich GmbH in Fulda. Er trägt eine blaue Jacke, Arbeitshose und Sicherheitsschuhe. Hinter ihm stehen Container mit allerlei Baustoffen, vor ihm liegt eine freie, betonierte Fläche, die an allen Seiten von verschiedenen Werkstätten und Hallen umrahmt wird. Mit dem Zollstock in der Hand deutet er selbstbewusst mal hierhin und mal dorthin und stellt seinen Arbeitsplatz vor. "Das Laden und Abladen macht mir am meisten Spaß. Das ist nie Routine sondern immer etwas Neues", sagt er und erklärt fachmännisch, wo die Container beladen werden, wie der Haken des Krans befestigt wird und welche Baumaterialien er mit dem Gabelstapler verlädt.

Dass der 39-Jährige einen festen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden hat, ist keine Selbstverständlichkeit. Denn Christian Schmitz ist schwerbehindert. Aufgrund einer Fehlform der Füße hat er eine leichte Gehbehinderung. Schwerwiegender sind jedoch die Folgen eines Unfalls, den er als junger Mann hatte. "Dabei hatte ich eine Gehirnblutung. Seitdem nimmt mein Gehirn Sachen langsamer auf und setzt sie langsamer um", erklärt er. Eine Sprachstörung ist geblieben. Doch von diesen Einschränkungen ließ sich der gelernte Maler, der schon auf Baustellen in Moskau und Paris tätig war, bei der Arbeitssuche nicht unterkriegen. "Ich war Hartz-IV-Empfänger. Aber ich wollte unbedingt wieder Arbeit haben. Das ist mir wichtig", erklärt er mit Nachdruck.

ENGAGIERTER ARBEITNEHMER

Das Zusammenspiel vieler Faktoren hat es schließlich möglich gemacht, dass Christian Schmitz heute wieder eine feste Anstellung hat. Dazu gehört sein eigener Eifer, mit dem er sich immer wieder für seine Belange eingesetzt hat. Dazu gehört die Unterstützung verschiedener Stellen wie dem LWV Integrationsamt und der Arbeitsagentur. Und dazu gehört nicht zuletzt ein engagierter Arbeitgeber, dem es ein wichtiges Anliegen ist, Menschen mit Einschränkungen eine berufliche Chance zu geben.

"Jeder hat das Recht auf Arbeit und sollte seinen Fähigkeiten entsprechend beschäftigt werden", betont Michael Wißler, Geschäftsführer der Ulrich GmbH Bauunternehmung. Seit 20 Jahren engagiert er sich darum auch in der von ihm mitgegründeten Perspektiva, einer gemeinnützigen GmbH. "Wir wollen junge Menschen mit Ausbildungshemmnissen in den ersten Arbeitsmarkt integrieren. Sie brauchen eine Lebensperspektive", erklärt er. Die Jugendlichen werden von Perspektiva betreut und während ihrer Praktika in den Betrieben intensiv begleitet - mit Erfolg. Über 100 junge Menschen haben mit Hilfe von Perspektiva bereits eine feste Arbeitsstelle erhalten.

Auch Christian Schmitz ist über Perspektiva zur Ulrich GmbH gekommen und hat zunächst ein zweijähriges Praktikum im Betrieb absolviert. Seit April 2017 arbeitet er sozialversicherungspflichtig angestellt als Bauhelfer und Lagerarbeiter auf dem Bauhof des Unternehmens. Unterstützt wurde sein Wiedereinstieg in den Beruf von der Arbeitsagentur, die für zwei Jahre einen Eingliederungszuschuss gewährte, und vom Integrationsamt des LWV. Das bewilligte einen Kostenzuschuss von je 75 Prozent für die Anschaffung eines Gabelstaplers und einer Reinigungsmaschine als Arbeitsgeräte für Christian Schmitz. Zudem förderte das Integrationsamt die Ulrich GmbH mit einer Einstellungsprämie - im Rahmen des Hessischen Perspektivprogramms zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen schwerbehinderter Menschen (HePAS II).

VERSCHIEDENE PARTNER

Dass Arbeitsplätze für behinderte Menschen von verschiedenen Ämtern gefördert werden und es damit auch mehrere Ansprechpartner gibt, das ist laut Michael Wißler kein Problem. "Die Förderungen sind sinnvoll und mit der Zusammenarbeit bin ich sehr zufrieden", sagt der Unternehmer, der in den vergangenen Jahren schon mehrere Mitarbeiter mit Einschränkungen in seinem Betrieb beschäftigt hat. Wenn er sich etwas wünschen könnte, dann wäre es mehr freie Ausbildungsförderung, die die Betriebe flexibler einsetzen können. Angst vor der Einstellung eines behinderten Menschen müsse keine Firma haben, macht er anderen Unternehmern Mut. "Wenn es mal Probleme gibt, werden die partnerschaftlich mit den Behörden gelöst", betont Michael Wißler. Manchmal würde es mit einem Mitarbeiter eben auch nicht klappen.

Bei Christian Schmitz hat es geklappt. Für ihn ist mit seiner festen Arbeitsstelle ein großer Wunsch in Erfüllung gegangen. Zwar hat er sein erstes Ziel, wieder als Maler zu arbeiten, nicht erreicht. Doch er ist froh, weiterhin in der Baubranche tätig sein zu können. "Ich hatte schon gedacht, ich bekomme nie wieder Arbeit. Aber ich hab mich nie hängenlassen", erklärt er. Auch nach seinem Unfall hat er nicht den Mut verloren und gelernt, mit seiner Behinderung zu leben. "Man muss sich abgewöhnen zu erwarten, dass man den Zustand von vorher wiederbekommt. Ich habe über die Jahre gelernt, damit zurechtzukommen", sagt er. Und wenn er manchmal das Gefühl hat, dass Menschen ihn aufgrund seiner Behinderung komisch behandeln, dann kann er auch damit umgehen.

ZIEL: EINE EIGENE WOHNUNG

Bei den Kollegen vom Bauhof hat er das Problem nicht. "Das klappt hier gut. Ich habe mich gut eingelebt und eingearbeitet", erklärt Christian Schmitz. Und gerade weil er so froh ist, wieder arbeiten zu können, kann er auch seine Freizeit genießen. "Ich bin keiner, der nur zu Hause rumhängt. Das wäre nichts für mich", betont er. Stattdessen besucht er lieber Freunde, die zum Teil auch in anderen Städten wie Bad Arolsen und Frankfurt leben, geht wandern, schwimmen und fahrradfahren und baut Modelle. Derzeit lebt er in Fulda bei seinem Vater. "Direkt hier in der Nachbarschaft", erklärt Christian Schmitz und zeigt über die Straße. Doch auch wenn er die Nähe zum Arbeitsplatz praktisch findet, würde er im kommenden Jahr gerne wieder eine eigene Wohnung beziehen. "Die kann auch stark renovierungsbedürftig sein. Die mache ich mir dann schön zurecht." Aus Fulda wegziehen möchte er allerdings nicht. "Hier ist es schön. Alles ist ländlich und ich bin mit dem Fahrrad in wenigen Minuten in der Natur", erklärt er.

Und schließlich hat er hier auch seinen Arbeitsplatz gefunden, an dem er sich bewährt hat - egal ob er Kisten mit Material für die Baustellen zusammenstellt, Rücklieferungen zur Überprüfung in die verschiedenen Werkstätten des Bauhofes bringt oder Holzträger mit seinem Gabelstapler verlädt. "Christian Schmitz ist vielleicht ein bisschen langsamer. Aber er ist ein sehr gründlicher Mensch. Er kann sich selbst verorten und weiß, wo er steht. Er ist vorsichtig und macht seine Arbeit ordentlich", lobt Michael Wißler seinen Mitarbeiter.

Meike Schilling

HINTERGRUND

 LWV HESSEN INTEGRATIONSAMT - FACHTAGUNG FÜR ARBEITGEBER

Nicht nur bei bestehenden Beschäftigungsverhältnissen, sondern auch bei der Neueinstellung eines schwerbehinderten Menschen gibt es maßgeschneiderte finanzielle und praktische Angebote. Am 18. Oktober informieren das LWV Hessen Integrationsamt und die Agentur für Arbeit über die breite Palette an Beratungs-, Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten für Chefs und deren schwerbehinderte Beschäftigte. Mehr als 80 Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber aus der Privatwirtschaft nehmen an der Fachtagung „Gut informiert, gut vernetzt, gut gefördert“ teil.

Die Tagung gibt Antwort auf die Frage: Wer zahlt wann was? Sie richtet sich an Arbeitgeber der Privatwirtschaft ab 50 Mitarbeiter und Personalverantwortliche. Auf dem Programm stehen Impulsreferate der Agentur für Arbeit und des Integrationsamtes mit anschließenden Diskussionen. Die Rehabilitationsträger, die Deutsche Rentenversicherung sowie die Integrationsfachdienste stehen während des gesamten Tages für Fragen zur Verfügung. Die Teilnahme an der Fachtagung ist kostenfrei. Beginn ist um 10 Uhr in der Stadthalle Friedberg, das Ende voraussichtlich um 15.30 Uhr.

ebo/ptr

Weitere Informationen und Anmeldung: Stephan Lichtblau, Telefon 0561 1004 - 2176, stephan.lichtblau@lwv-hessen.de