Seinen Guide bekommt man am Anfang nicht zu Gesicht, er oder sie empfängt die Besucher in einem dunklen Vorraum. Nur die Stimme ist präsent, ganz so, wie es in der Welt der Blinden ist. "Hier bin ich", ruft es in die dunkle Stille. Sezen Stearn ist es, die an diesem Tag Gruppen durch den Parcours "Dialog im Dunkeln" im Dialogmuseum Frankfurt begleitet.
Aber wo ist Sezen? "Weiter rechts, die Wand entlang, ja, so ist es gut", ermuntert sie zum Weitergehen in der Finsternis. Gerne führt sie die Besuchergruppen – rund zwei Drittel davon sind Schulklassen – erst durch den Park über die Wackelbrücke am Brunnen vorbei hin zu Helens Wohnung. Helen ist nicht daheim: Sie ist eine erdachte Figur, doch ihre Wohnung fühlt sich ganz real an und verrät viel über ihre fiktive Bewohnerin: eine junge blinde Frau mit Blindenhund und wenig Geld, die mit Brailleleiste ihren Computer bedient und vom Reisen träumt. Erzählt wird Helens Geschichte, eine Geschichte, die für ungezählte andere steht und im Dialogmuseum erlebbar wird für die Sehenden.
Vorstellungskraft gefragt
Sezen Stearn lässt die Besucherinnen und Besucher an der Garderobe das Führgeschirr des Blindenhundes ertasten, leitet weiter in die Küche zum Herd, zum Kühlschrank und zur Küchenwaage, die unermüdlich Grammzahlen ansagt. Bis es selbst der blinden Führerin zu viel wird: "Ich schalt die jetzt aus." Platz nehmen am Küchentisch und Blinden-Dominosteine fühlen ist der Moment zum Innehalten und In-sich-Hineinhorchen. Zu sehen gibt es ja nichts, umso mehr ist Fühlen und Hören gefragt und die eigene Vorstellungskraft.