Pressemitteilung vom 10. März 2014
Den diesjährigen Walter-Picard-Preis haben heute ein inklusives Theaterprojekt und eine Journalistin erhalten, die sich für die Angehörigen psychisch kranker Menschen engagiert: Sascha Merkel von den Klosterspielen Merxhausen und Jutta Seifert aus Fernwald haben die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung von LWV-Landesdirektor Uwe Brückmann entgegengenommen. „Sie haben einen wichtigen Beitrag geleistet für eine humane und auch inklusive Gesellschaft“, sagte Brückmann in seiner Laudatio.
Seit 1983 tritt die Amateur-Theatergruppe Klosterspiele Merxhausen regelmäßig auf der Freilichtbühne im Park der heutigen Vitos Klinik Bad Emstal auf. Die Gruppe inszenierte vor 31 Jahren ein Stück über Landgraf Philipp, den ehemaligen Gründer des Hospitals Merxhausen. Von Anfang an wurden Patienten der psychiatrischen Klinik und Bewohner der heilpädagogischen Einrichtung in die Theaterarbeit mit einbezogen. Sie haben mitgespielt auf der Bühne, haben Kulissen gebaut, haben Besucher bewirtet und organisiert. Sie haben – wie alle anderen im Ensemble - ihre Fähigkeiten und Begabungen entdeckt und entfaltet.
Seit die Verweildauer in den psychiatrischen Kliniken immer kürzer wurde, wurde es schwieriger, Patientinnen und Patienten im Spiel zu beteiligen. Heute kooperieren die Klosterspiele bei Bühnenbau und Spiel mit der noch recht jungen forensischen Klinik Bad Emstal. In dieser Saison stehen drei Mitwirkende mit auf der Bühne. Alle drei Männer sind bereits im offenen Vollzug.
„Für die Patienten ist diese Beteiligung von unschätzbarem Wert. Sie erleben Normalität. Nicht ihre Erkrankung steht im Vordergrund, sondern das gemeinsame Tun“, unterstrich Landesdirektor Brückmann.
Die kulturelle Initiative mit der langen Tradition wurde über drei Generationen hinweg wach gehalten. Geleitet werden die Klosterspiele heute von Sascha Merkel.
Jutta Seifert aus Fernwald ist seit 1994 ein wichtiger Motor in der Arbeit Angehöriger psychisch kranker Menschen in Mittelhessen, auf Landes- und auf Bundesebene. Selbst Mutter eines kranken Sohnes, stieß sie zu einer Gesprächsgruppe für Eltern und Partner, die der heutige Leiter der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bad Emstal, Prof. Michael Franz, damals in Gießen ins Leben gerufen hatte. Sie selbst und andere Gruppenmitglieder waren mit Schuldzuweisungen konfrontiert worden: Psychiater machten insbesondere die Mütter für die Erkrankung ihrer Patienten verantwortlich. Eine Behauptung, die Jutta Seifert seitdem in zahlreichen Vorträgen und Kampagnen unter Hinweis auf wissenschaftliche Studien widerlegt hat. Sie sprach vor Landfrauen und angehenden Polizisten, vor Angehörigen und Interessenverbänden.
Auch die Situation der psychisch kranken Menschen selbst liegt ihr am Herzen. Sie deckte Versorgungslücken auf und erreichte mit anderen, dass eine Einrichtung, die geschlossen werden sollte, erhalten blieb. Patienten und Angehörige hat sie mit zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen zu Experten in eigener Sache gemacht. Sie veröffentlichte regelmäßig einen Rundbrief und 2004 ein Angehörigenbuch. Mit anderen Ehrenamtlichen bietet sie an der psychiatrischen Universität Gießen Sprechstunden und Telefonberatungen an.
„All das trägt dazu bei, dass sich das Klima in der Gesellschaft gegenüber psychisch kranken Menschen positiv verändert“, sagte Uwe Brückmann in seiner Laudatio.
Jutta Seifert betonte in ihrer Dankesrede, wie sehr die Arbeit der Angehörigen psychisch Kranker Öffentlichkeit und Publizität brauche. „Ein solcher Preis ist gut für uns“, sagte sie.
Sascha Merkel wies auf das Motto der Klosterspiele Merxhausen hin: „Jeder ist wichtig, jeder und jede werden gebraucht. Danach arbeiten wir seit vielen Jahren. Wir freuen uns über alle, die sich in die Theaterarbeit einbringen.“
Neben dem Preisgeld von 5.000 Euro erhielten Jutta Seifert und die Klosterspiele Urkunden und je eine Skulptur. Sie wurde in diesem Jahr von Sven Stroh, einem Patienten der Vitos forensischen Klinik Bad Emstal, geschaffen.