Pressemitteilung vom 10. März 2008
Kassel/Riedstadt (lwv): „Die Preisträger nutzen wiedergewonnene Stabilität und Stärke nicht nur für sich selbst, sondern lassen auch andere Menschen, die sich in einer akuten Krankheitsphase befinden, daran teilhaben.“ Ohne den Einsatz vieler Hundert ehrenamtlich aktiver Menschen ist das dichte gemeindepsychiatrische Netz Hessens nicht mehr vorstellbar. Besonders dieses Engagement soll daher durch den heute im Riedstädter Philippshospital vom Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV) zum vierten Mal vergebenen Walter-Picard-Preis gestärkt werden. Dort zeichneten Robert Becker, Präsident der LWV-Verbandsversammlung, und Beigeordneter Dr. Peter Barkey gleich zwei Preisträger aus: Stephan Sahm aus Rodgau im Landkreis Offenbach und die Theatergruppe „Sandkörner“ des Sandkorn-Hauses in Wetzlar erhielten den mit insgesamt 5.000 Euro dotierten Preis, der alle zwei Jahre für besonders vorbildliche Leistungen in der hessischen Gemeindepsychiatrie vergeben wird.
Auf die Verdienste des früheren Bundestagsabgeordneten Walter Picard, der auch der Verbandsversammlung des LWV angehörte, wies Becker, der als Ehrengast die Witwe Walter Picards, Gisela Picard, begrüßte, hin: Besonders habe Picard, an dessem achten Todestag die Preisverleihung stattfand, den ehrenamtlichen Einsatz zu Gunsten psychisch kranker Menschen fördern wollen. Viele dieser Initiativen von Gruppen und Einzelpersonen gäbe es in Hessen, lobte Beigeordneter Dr. Barkey, 26 qualifizierte Vorschläge für den Preis hätten dem Auswahlkomitee vorgelegen, die Auswahl sei somit nicht leicht gefallen. Die beiden Preisträger ständen somit auch stellvertretend für eine ganze Reihe von Initiativen, die sich mit großem Engagement für psychisch kranke und seelisch behinderte Menschen einsetzen.
Stephan Sahm engagiert sich seit vielen Jahren in Rodgau und Umgebung ehrenamtlich für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Durch seine zuverlässige und kompetente Organisation stellt er seit Gründung die Kontinuität der sich wöchentlich in den Räumen des katholischen Gemeindezentrums in Rodgau-Jügesheim treffenden Selbsthilfegruppe „Seelische Gesundheit“ sicher. Stephan Sahm ist als Psychiatrie-Erfahrener sowohl Ansprechpartner für betroffene Menschen als auch Kontaktperson vor Ort zum Sozialpsychiatrischen Dienst des Kreises Offenbach in Dietzenbach und zum psychosozialen Zentrum „Die Brücke“ in Rödermark. Darüber hinaus kümmert er sich persönlich um die Gruppenmitglieder und begleitet beispielsweise Menschen mit akuten psychiatrischen Erkrankungen bei stationären Behandlungen in Kliniken.
„Normal ist relativ – verrückt ist relativ normal“ heißt es bei der seit 2002 bestehenden Theatergruppe „Sandkörner“ aus Wetzlar. Die Gruppe hat sich zum Ziel gesetzt, psychisch erkrankte Menschen zu bestärken, ihre Erkrankung zu akzeptieren, neue Fähigkeiten zu entdecken und Mut zu haben, mit diesem Thema in die Öffentlichkeit zu gehen. Die Gruppe sucht die Öffentlichkeit, auch, um mit falschen Vorstellungen von psychisch kranken Menschen aufzuräumen. In der Theatergruppe wirken Betroffene, Angehörige und Mitarbeiter mit. Im wöchentlichen Rhythmus trifft sich die von der Theaterpädagogin Juana Sudario unterstützte und aus 10 bis 12 Personen bestehende Gruppe, um ihre Stücke einzustudieren. „Drinnen und Draußen“, „I did it my way“ – so heißen zwei Stücke, die bereits mehrere tausend Besucher angezogen haben. Auch im Fernsehen, im „Offenen Kanal Gießen“, waren die Sandkörner bereits zu sehen.
„Mut machen und Wege aufzeigen“
Interview mit Stephan Sahm aus Rodgau, der heute mit dem Walter-Picard-Preis des LWV Hessen ausgezeichnet wurde
Zum Interview...
Der im Jahr 2000 im Alter von 76 Jahren verstorbene Walter Picard aus Offenbach war einer der Initiatoren der Psychiatrie-Enquete, die 1975 ihre Arbeit abschloss und maßgeblich zur Verbesserung der psychiatrischen Versorgung in Deutschland beigetragen hat. Dem früheren Bundestagsabgeordneten der CDU, der lange der Verbandsversammlung des LWV angehörte, lag bei der Gestaltung dezentraler und offener Hilfeangebote in der Psychiatrie besonders die Stärkung der gesellschaftlichen Selbsthilfe am Herzen. Durch den 2002 gestifteten „Walter-Picard-Preis" möchte der LWV Reformideen im Geiste der Psychiatrie-Enquete stärken und die Verdienste Prof. Walter Picards würdigen.